deutsch


SP
  NUBI TEMPORA
Wolkenlandschaften

2017


I.



II.



III.



IV.

Die Arbeit Nubi Tempora ist eine Zusammenarbeit von Gerhard Lang und dem Deutschen Wetterdienst (DWD).

Ursula Panhans-Bühler

In der Dunkelkammer des Wolkensehens

Moderne Bildtechnologien, von der Photographie bis hin zur elektronischen Generierung, entziehen dem Prozess der Bildaufzeichnung die Hand. Gerhard Lang jedoch stützt sich beim „Zeichnen des Sehens der Wolke“ auf die Hand als bildgebende Motorik. Diese protokolliert den Prozess des Sehens der Wolke, wird jedoch nicht kontrolliert vom Auge bei der Niederschrift. Das Auge interveniert hierbei nicht, eine kulturell gefärbte Einmischung, wie sie ein Fokuswechsel zwischen Motiv und Bild erlaubt, bleibt ausgeschlossen. [...]

[...] Während Meteorologen das dynamische Innenleben der Wolken sachlich in der Zeitenfolge ihrer Messdaten erfassen, wird Gerhard Langs Zeichnen des Sehens der Wolke von Auge und Hand als „nervösen Auffangsorganen“ (Aby Warburg) gesteuert. Auch bei ungerührtem Fixieren des Blicks auf die Wolkenformation kommt es zu einer seelisch-elektrischen Verarbeitung des Sehens zu einem Bild, blind realisiert von der Hand als einer Art organischen Geigerzählers.

[Auszug aus In der Dunkelkammer des Wolkensehens, in: Nubi Tempora. Wolkenlandschaften, Herausgeber: Deutscher Wetterdienst (DWD), Offenbach am Main, 2017]

 

Ursula Panhans-Bühler ist emeritierte Professorin für Kunstgeschichte der Moderne an der Kunsthochschule Kassel und Gründungsmitglied der Gesellschaft der Schattenbeschleuniger.

Stephan Weyer-Menkhoff

Wolken-Katalog

Wolken sind nicht einfach Wolken. Entweder sind sie Aerosolpartikel und Wassertröpfchen, deren Ansammlung in einer Reihe von Daten lesbar wird; oder aber sie sind Teil der Landschaft, deren Gebilde erst in einer Zeichnung anschaubar wird. Wolken sind nicht einfach Wolken, sondern müssen immer erst durch einen besonderen Akt zugänglich gemacht werden. Der zur Wolke hinzukommende Akt ist der einer Linienführung. Schrift wie Zeichnung führen die Linie je auf eigene Art. Während die Schrift etwas verschlüsselt, zeigt die Zeichnung etwas. Die Schrift muss auf ihre Verschlüsselung hin durchschaut, die Zeichnung dagegen mimetisch den Linien folgend angeschaut werden. Lesen oder wahrnehmen sind die beiden Arten, Wolken zugänglich zu machen. Aus dem Lesen der Datenreihen ergibt sich der Zugriff auf die Wolke. Regen oder Sonnenschein lässt sich vorhersagen. Die Wolke wird auf Abstand gehalten. Anders ist es bei der Zeichnung. Im Wahrnehmen des Zeichnens wie des mimetischen Nachzeichnens kommt die Wolke ununterscheidbar nahe. Dies wird noch verstärkt durch die unkonventionelle Visus Signatus-Methode des Zeichnens, das sein Objekt nie aus dem Auge lässt und somit den Blick auf das Gezeichnete zugunsten der angeschauten Wolke vermeidet. In der Mimesis der Wahrnehmung, des Sehens im Zeichnen oder des Sehens im Nachzeichen wird die Wolke Teil des eigenen Leibes in seiner Beweglichkeit und Lebendigkeit. [...]


[Auszug aus Wolken-Katalog, in: Nubi Tempora. Wolkenlandschaften, Herausgeber: Deutscher Wetterdienst (DWD), Offenbach am Main, 2017]

 

Stephan Weyer-Menkhoff lehrt als Professor mit dem Schwerpunkt Ästhetik und Didaktik an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

Abbildungen:

Abb. I: NUBI TEMPORA II. Visus Signatus. Das gezeichnete Sehen der Wolken über dem Rhein-Main-Gebiet. Graphit auf Papier, 52 cm x 92 cm, entstanden auf dem Dach des Deutschen Wetterdienstes, zwischen 12 und 15 Uhr, 24. April 2017

Abb. II: NUBI TEMPORA II. Visus Mathematicus. Während Gerhard Lang auf dem Dach des Deutschen Wetterdienstes das Sehen der Wolken zeichnete, wurden im Rechenzentrum darunter die Rohdaten gesammelt, die das Radar, die Satelliten und die Wetterstationen im Rhein-Main-Gebiet übermittelten. Diese nicht interpretierten Daten bergen alle meteorologischen Informationen der Situation, aus der die Wolken hervorgingen, die Lang beim Zeichnen immerfort sah. Beide Teile der Arbeit Nubi Tempora zeigen dasselbe nie direkt, sondern in unterschiedlicher Form anders. Offsetdruck, 52 x 92 cm, 2017

Abb. III: Auf dem Dach des Deutschen Wetterdienstes. Beim Zeichnen des Sehens der Wolken über dem Rhein-Main-Gebiet ist Gerhard Langs Blick ausschließlich nach oben gerichtet. Photo: Vanessa Jaworski

Abb. IV: Im Rechenzentrum des Deutschen Wetterdienstes. Der Meteorologe FH Christoph Müller (vorne) und der Mathematiker Wolfgang Löser ordnen die gesammelten Rohdaten. Photo: Gerhard Lang


Andere Visus Signatus Arbeiten von Gerhard Lang:
- Das Sehen der Berge und das Sehen der Wolken auf dem Furkapass
- Die Whitestone Pond Serie
- Visus Signatus. Das Sehen der Wolken. Öl Pastell Arbeiten
- Visus Signatus. Das Sehen meines Gesichtes
- Visus Signatus. Gerhard Lang zeichnet das Sehen des Mondes

Danke:
Deutscher Wetterdienst (DWD)
Hessisches Ministeriums für Wissenschaft und Kunst
Museum für Angewandte Kunst in Frankfurt am Main
Edith und Hans Fritz Lang
Gestaltungsbüro 29. April
Helmut Aebischer
Peter Barozzi

Gerhard Lang © VG Bild-Kunst, Bonn