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SP
  Das Sehen der Berge
und das Sehen der Wolken
Visus Signatus-Zeichnungen
auf dem Furkapass*

2018


I.



II.



III.



IV.



V.



VI.



VII.


Berge bergen und verbergen. Mit ihrer gewaltigen Masse erheben sie sich in den Weg und verstellen den Blick auf das, was dahinter ist. Berge rücken den Horizont weit nach oben und machen den Fernblick auf den Himmel aussichtslos. Das Sehen schlägt gegen die Felswand und tastet sich an der hochgeklappten Landschaft entlang. Bei längerem Hinsehen zeigt sich immer klarer, dass die vermeintlich kompromisslose Sichtbarkeit der Berge Unsichtbares, Unzugängliches birgt. Ihre beeindruckende Höhe kommt aus einer unerreichbaren Tiefe, ihre Gegenwart erwächst aus Vergänglichem, ihre Härte ist brüchig, ihre Ewigkeit hat Risse. Berge sind also nah und fern zugleich, was sie mit den extrem flüchtigen Wolken verbindet. Unmittelbarer als bei den Bergen deutet sich schon in der Anwesenheit der Wolken ihre Abwesenheit an. Wolken entstammen aus komplexen, unermesslich weit zurückreichenden Vorgängen. In eine niedrig über das Land ziehende Nebelwolke kann ich ohne größere Anstrengung hineinspazieren, aber in ihrer Nähe bleibt die Wolke für mich unfassbar fern. In ihrer Unterschiedenheit haben Berge und Wolken also wesentliche Gemeinsamkeiten.

Auf dem Furkapass in den Schweizer Alpen sah ich Berge und zeichnete, ohne auf das Papier zu sehen. Bei dieser von mir Visus Signatus (das gezeichnete Sehen) genannten Methode des Zeichnens werden mithin Berge, Augen, Körper, Hand, Bleistift, Papier und die entstehende Zeichnung kurz-geschlossen. Nähe und Ferne bilden einen Zusammenhang.

Beim Sehen der Wolken verhielt es sich ähnlich. Immerfort sah ich beim Zeichnen die vorbeiziehenden, sich stetig wandelnden Wolken. In diesem Teil der Furka-Arbeit spielten Regenschauer in die Zeichnungen hinein. Die Regentropfen veränderten alles, gezeichnete Linien flossen ineinander. Die Visus Signatus-Methode ist eine Möglichkeit der Auseinandersetzung mit dem Sehen. Das Sehen selber kann ich allerdings nicht sehen, Berge oder Wolken schon. Mit den Visus Signatus-Zeichnungen spüre ich dem unsichtbaren Sehen nach und gewinne daraus etwas Sichtbares – auf dem Furkapass waren es das Sehen der Berge und das Sehen der Wolken. Wie nahe ich dabei dem unsichtbaren Sehen kam, bleibt offen. Aber ohne das Sehen und seine Unsichtbarkeit hätte ich weder die Berge noch die Wolken gesehen.

Abbildungen:


Abb. I: Das Sehen der Berge, Galenstock, Großes Bielenhorn, Hannibal, Kamel und Kleines Bielenhorn, Graphit, 69 x 99 cm, 16. August 2018

Abb. II: Das Sehen der Berge, Tollistock und Bidmer, Graphit, 69 x 99 cm, 15. August 2018

Abb. III: Das Sehen der Wolken, Pastell und Regenschauer, 74 x 105 cm, 20. August 2018. Courtesy: Privatsammlung in der Schweiz

Abb. IV: Das Sehen der Wolken, Pastell und Aquarellstift, 66,2 x 102 cm, 14. August 2018

Abb. V: Beim Zeichnen des Sehens der Berge, 16. August 2018. Photo: Gerhard Lang

Abb. IV/IIV: Beim Zeichnen des Sehens der Wolken am 20. August 2018. Am Ende ging ein Regenschauer auf die Zeichnung nieder und veränderte sie. Linien flossen ineinander. Im Waschhaus (links) des Hotels Furkablick wurde die Arbeit zum Trocknen gelegt. Photos: Gerhard Lang


* Der Furkapass war in den 80er und 90er Jahren ein wichtiger Ort der Landschaftskunst. Der Galerist Marc Hostettler leitete das Hotel Furkablick und lud Schweizer und internationale Künstlerinnen und Künstler ein, in der hochalpinen Landschaft der Furka zu arbeiten.

Andere Visus Signatus Arbeiten von Gerhard Lang:
- Die Whitestone Pond Serie
-Visus Signatus. Das Sehen der Wolken. Öl Pastell Arbeiten
- Nubi Tempora
- Visus Signatus. Das Sehen meines Gesichtes
- Visus Signatus. Gerhard Lang zeichnet das Sehen des Mondes

Danke:
Institut Furkablick
Alfred Richterlich Stiftung
Edith und Hans Fritz Lang
Helmut Aebischer
Tsering Choden
Dawa Janzom,
Margrith und August Künzel
Dhundup Lhamo
Janis Osolin
Madeleine und Hansruedi Tresch vom Hotel Tiefenbach
Prof. Dr. Stephan Weyer-Menkhoff

Gerhard Lang © VG Bild-Kunst, Bonn