Cloud Walk 3 Schiehallion, Schottisches Hochland, 18.12.1997 |
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Für einen bestimmten Bereich seiner landschaftsästhetischen Untersuchung hat Gerhard Lang den Begriff Nubeologie geprägt. Auf diesem Gebiet beschäftigt sich Lang mit ungeheuer flüchtigen und beweglichen Bestandteilen der Landschaft: den Wolken. Die Cloud Walks (Wolkenspaziergänge) sind eine spezielle Methode der nubeologischen Annäherung an dieses Naturphänomen.
Ways Around Modernism Von Stephen Bann
[...] The young German artist Gerhard Lang became known to me when I acted as his advisor on a postgraduate dissertation at the Slade School of Art in London. This dissertation covered Constable’s Cloud Studies, and the related meteorological material in Luke Howard’s Climate of London, both of which emerged around 1820. The “Cloud Walks” that Lang undertook in the late 1990s emerged out of this research into the experimental nature of Constable’s studies, and their relationship to the tradition of natural philosophy. As a German artist, coming from a background of Green politics and the political happening (aktion) of the late 1960s, this represented for him a congenial, if historically remote, foyer of research. However, the way in which he began to design his own artistic experiments bore clear parallels to a more recent manifestation of the English preoccupation with landscape. He adopted the new generic landscape form of the “walk”, which had been developed by Richard Long and Hamish Fulton, the two major British practitioners of “Land Art”, and also by his Swiss mentor, Lucius Burckhardt. [...] [Auszug aus The Artist’s Brief, in: Ways Around Modernism. Theories of Modernism and Postmodernism in the Visual Arts, von Stephen Bann, Volume 2, Routledge, New York und London, 2007. Mehr über Stephen Bann: siehe Glossar]
Gerhard Langs Spaziergänge zu den Wolken [...] dafür untersucht der Künstler aber Wolken auf eine ganz neue Art und Weise. Statt wie die Physik der Atmosphäre neben ihrer Stärke und Höhe allein das Aussehen einer Wolke in Rechnung zu stellen, fragt Gerhard Lang: »Wie riecht sie? Wie hört sich die Wolke an? Ist sie eher weich oder hart? Hat sie einen besonderen Geschmack? Welchen Geschlechts mag sie sein? (1) Um das zu klären, macht sich der Künstler seit 1996, beseelt von dem pataphysischen Funken, zu seinen so genannten Cloud Walks auf (2) ausgerüstet mit einem Spazierstock, einer Archiv- oder Transportkiste mit Scheidetrichter, Datenformular, meteorologischem Gerät und Begleitern, die seine ritualisierten Expeditionen dokumentieren und bezeugen. Seine Wolkenspaziergänge führen ihn meist auf hohe Berge, mit deren Hilfe er zu den flüchtigen Himmelsphänomenen vordringt, um diese genauer zu erforschen. Auf dem mitgeführten Datenblatt dokumentiert Lang dann »wissenschaftlich ›exakte‹ Messdaten wie Temperatur, Relative Feuchte, Luftdruck etc. neben weniger akzeptierten und verifizierbaren Daten wie dem Geschlecht der Wolke, der haptischen Qualität oder dem Aroma (3). Auch verleiht er den atmosphärischen Erscheinungen Namen, die sich keineswegs an der auf Luke Howard fußenden Klassifikation der Bewölkung orientieren. Statt altostratus translucidus oder stratocumulus stratiformis duplicatus begegnen uns bei Lang schiehamata turbulenta (Cloud Walk 3) oder lomonda subdola (Cloud Walk 5). Diese binominale Nomenklatur des Künstlers lässt auf eine Typisierung nach Fundort, Charakter und Geschlecht der Wolke schließen und behandelt insofern die Schicht-, Schäfchen- oder Schleierwolke als lebenden Organismus. Zu guter Letzt saugt Gerhard Lang eine 2000 ml umfassende Probe der jeweiligen Wolke in den Scheidetrichter und versiegelt sie. In dem gläsernen Gefängnis ist von der Wolke mit bloßem Auge allerdings nichts mehr zu sehen und auch experimentell lässt sich ihre Anwesenheit schwer verifizieren. Einmal für die Untersuchung befreit, ist der flüchtige Gast nur allzu schnell entfleucht. Es gibt wohl keinen schlüssigeren Beweis für die Schwierigkeit, dieses ephemere, sich in einem stetigen Transformationsprozess befindliche Phänomen Wolke zu erfassen. [...] [Auszug aus: Gerhard Langs Spaziergänge zu den Wolken, von Susanne Witzgall, in: Wolken, hg. Lorenz Engell, Bernhard Siegert und Joseph Vogl, Archiv für Mediengeschichte, Verlag der Bauhaus-Universität Weimar, 2005. Susanne Witzgall lehrt seit 2003 an der Akademie der Bildenden Künste in München. Siehe auch Presse: Who owns the Clouds]
(1) Gerhard Lang, Auf dem Weg in die Wolken, in: Luft, Schriftenreihe Forum, Bd. 12, Elemente des Naturhaushalts IV, hg. von der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH, Köln 2003, S. 128. (2) Bereits der schottische Künstler George Wyllie, der an Cloud Walk 5 teilgenommen hat, verweist auf Verwandtschaften zwischen Langs Vorgehen und der Pataphysik. Vgl. George Wyllie, On the pataphysics of the cloudological, in: The Herald (215th year, No. 286), December 27, 1997, S. 48. (3) Susanne Witzgall, »Initiieren von Unsicherheit an einem Ort vermeintlicher Sicherheit«. Auszüge aus einem Interview mit Gerhard Lang, in: Susanne Witzgall, Kunst nach der Wissenschaft, Nürnberg 2003, S. 455.
Abb. I: Schrittweiser Eintritt in die Wolke unter stürmischen Bedingungen. Photo: Zoe Squair
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