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Blauton 2010 ![]() |
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Gerhard Lang und der Komponist Martin Kürschner Der 1883 erbaute Ludwigsturm auf der Ludwigshöhe in Darmstadt gehört als „Aussichtsturm“ zu einer Sonderform der Architektur, die dem Vergnügen, Observieren und Überwachen dient. Im Inneren des Ludwigsturms führt eine Wendeltreppe den Besucher auf eine 28 Meter hohe Aussichtsplattform, die eine beeindruckende Sicht auf das Rhein-Main-Gebiet bietet. Während des Auf- und Abstiegs ergeben sich regelmäßig Fensterausblicke auf Darmstadt, in der Ferne auf Frankfurt und am Horizont auf die Erhebungen des Taunus und der Pfalz. Vor diesem Hintergrund entwickelten Lang und Kürschner eine Arbeit über Raumwahrnehmung und Fernsicht. Die Arbeit Blauton wirkte mit zwei kleinen Eingriffen einem von Lang und einem von Kürschner von außen auf den Raum des Turminneren. Gerhard Langs Eingriff bezog sich auf die Fenster, die von außen mit ultramarinblauem, transluzentem Plexiglas verdeckt wurden und so die gewohnten Fernblicke durch die Ferne suggerierende Farbe Blau ersetzt Darmstadt, Frankfurt und der Horizont waren jetzt unsichtbar. Die Kraft und der Stand der Sonne beeinflussten das Spektrum des Blaus, das, in den akustischen Bereich transponiert, den klanglichen Ausgangspunkt für Martin Kürschners Neue Musik-Komposition bildete. Eine weitere Grundlage der Komposition war das über dem Eingang des Turms in Sandstein gemeißelte Gedicht*: Kürschner verarbeitete dessen phonetisches Material zu einem Klangband, in dem der ursprüngliche semantische Inhalt zu einem vielschichtigen "Sprachklangkontinuum" transformiert wurde. Die aus dem Kellergewölbe nach oben dringende Komposition erfüllte wie das sichtbare Blau den gesamten Raum, den der Besucher als Resonator eines in seinen Fundamenten entstehenden Klangs erlebte. Mit dem Eingriff in eine für die Einwohner Darmstadts vertraute Situation wurde ein Raum verwandelt, allerdings blieb er physisch unangetastet. Das Zusammenspiel der beiden abstrahierenden Eingriffe das blaue Plexiglas und die Komposition rückten bestimmte Qualitäten des Raumes in das Zentrum der Aufmerksamkeit und machten damit sichtbar und hörbar: der Raum als Farb- und Klangraum. Die Verschiebung der Aufmerksamkeit des Besuchers im Innern des Turmes wirkte ebenfalls nach außen; beispielsweise auf die Aussicht von der Turmkrone. Um auf die Plattform zu gelangen, öffnete der Besucher zunächst eine blaue Luke, um gleichsam durch das Blau hinauf zu steigen. Das Rhein-Main-Gebiet hatte sich nicht geändert, und doch wurde es in diesem Augenblick anders wahrgenommen. * Das die Höhe des Turms preisende und den Großherzog von Hessen und bei Rhein ehrende Gedicht stammt von dem Darmstädter Stadtverordneten Wilhelm Schwab, der den Bau des Turms finanzierte.
Dank an den Verein für Internationale Waldkunst e. V. und die Bürgeraktion Bessungen/Ludwigshöhe in Darmstadt und Peter Barozzi.
![]() Abb. I: Der Ludwigsturm mit den vor den Fenstern angebrachten ultramarinblauen, transluzenten Plexiglasscheiben, Photo: Gerhard Lang |
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